OER zur Dokumentation seltener Sprachen

OER zur Dokumentation seltener Sprachen

Beitragvon helma pasch » Sa 25. Mai 2013, 00:06

Liebe OER-KommilitonInnen,
Am liebsten hätte ich mein derzeitiges eigenes online-Seminar "Neue Medien in der Afrikanistik" auf dem ILIAS-Server der Universität Köln als OER angezeigt. Das wird auch, ohne mein Zutun, als CC gekennzeichnet. Allerdings ist die Kölner Lernplattform nicht frei zugänglich, was meine OER-Ambitionen unterminiert und das CC auch ein wenig ausbremst.
Es bedurfte der Teilnahme an einer dreitätigen afrikanistischen Konferenz, um zur Erfüllung der "Hausaufgabe" etwas anderes zu finden, das vielleicht nicht viele andere Kursteilnehmer auch entdeckt haben.
In einem Vortrag wurde das WEBONARY (http://webonary.org/, mit GPL-Lizenz, von OER wurde nicht gesprochen) vorgestellt, ein Werkzeug angenoten, mittels dessen zwei- oder mehrsprachige Wörterbücher erstellt werden können. Es wird von der evangelischen Missionsgesellschaft SIL (früher Summer Institut of Linguistics, heute Société de Linguistique Internationale, vielen als "die Bibelübersetzer" bekannt) betrieben, Wichtig ist dabei, dass die Sprechergruppen selbst ihre Wörterbücher gestalten, oder daran mitarbeiten können. Bei der großen Vielzahl noch unbeschriebener Sprachen bedeutet dies für die Sprachwissenschaftler eine erhebliche Hilfe. Die Betreiber gehen davon aus, dass Sprecher verschiedener Sprachen gerne auch ohne Bezahlung an solchen Wörterbuchprojekten mitarbeiten, weil sie das für eine gute Sache halten für die sie sich einbringen möchten. Erste Beobachtungen bestätigen diese Erwartung. Da liegt der Vergleich mit Wikipedia nahe, obwohl der nicht genannt wurde.
Für die Sprechergruppen ist das Angebot deshalb vor allem deshalb ein so wertvolles Angebot, weil es kostenfrei ist und einen hohen Grad an Stetigkeit garantiert. Die meisten Sprechergruppen leben in großer Armut, und Projekte zur Sprachpflege und –dokumentation die von Vertretern dieser Gruppen (in der Heimat oder in der Diaspora) auf privater Ebene unternommen werden, sind aus verschiedenen Gründen meist nicht langlebig. So haben Lehrer und (professionelle oder hobby-ambitionierte) Sprachwissenschaftler endlich gutes und umfangreiches Material, auf das sie dauerhaft zurückgreifen können.
Die Teilnehmer der Konferenz waren Afrikanisten/Linguisten, die mit Begriffen wie CC, open access, OER usw. mehrheitlich nicht viel anzufangen wussten. Trotzdem haben viele ein wenig verstört darauf reagiert, dass die Vorstellung dieses Werkzeugs gleichzeitig auch Werbung für die Gesellschaft war. Was sich nicht vermeiden ließ. Diese Beobachtung erscheint mir sehr wichtig, immerhin wird auch in Deutschland ein relativ großer Teil aller OER von kirchlichen Organisationen angeboten. Die haben offensichtlich bessere personelle und finanzielle Voraussetzungen, um solche kostenfreien Angebote machen zu können, als viele andere Institutionen. Ich sehe keinen Kritikpunkt darin, dass sie die auch für ihre eigenen Ziele einsetzen, wenngleich festzustellen ist, dass das möglicherweise jegliches Interesse an OER usw. von Beginn an erstickt.

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Re: OER zur Dokumentation seltener Sprachen

Beitragvon lpeters » Di 28. Mai 2013, 09:37

Danke für die Vorstellung dieses Ansatzes und Ihre Gedanken dazu. Für mich wird an diesem Beispiel auch wieder sichtbar, dass die Definition von "frei" in "Freien Bildungsquellen" noch aussteht. Im Falle des Webonary bezieht sich das nicht nur auf die GPL-Lizenz, sondern auch auf den ideologischen Hintergrund. Während die Idee eines mehrsprachigen Wörterbuches sehr erfreulich ist, muss man leider bei politisch oder religiös motivierten Projekten immer davon ausgehen, dass eine Zensur statt findet. Und damit ist die Quelle zwar noch kostenlos nutzbar, aber nicht frei, und zwar nicht ideologiefrei.
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